Handwerksbäcker sind von hohen Energiekosten extrem belastet. Allein das Aus der EEG-Umlage kann den Preisanstieg nicht abfangen. Betriebe müssen ihren Verbrauch senken. Zwei Handwerksbäcker zeigen, wie das geht und wer dabei hilft.
Von Jana Tashina Wörrle – Deutsche Handwerks Zeitung
In Aussicht gestellt ist nun der 1. Juli. Dann schon könnte die EEG-Umlage wegfallen und den Strompreis senken. Allerspätestens zum 1. Januar 2023 ist dies gesichert, denn dazu gibt es bereits einen Beschluss der Bundesregierung. Eine Einigung auf ein früheres Aus steht noch aus. Das Handwerk würde es freudig begrüßen. Das steht fest. Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks (ZDH) nennt es „gut und längst überfällig, dass die EEG-Umlage abgeschafft werden soll.“ Vor allem die unfairen Begünstigungen für Großunternehmen, die bereits seit langem keine Umlage bezahlen müssen, würden den Wettbewerb zum Nachteil des Mittelstands verzerren.
Wettbewerbsverzerrung: Handwerksbäcker haben höhere Energiekosten
Genau dieses Problem versucht der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks der Politik schon seit Jahren, öffentlichkeitswirksam klar zu machen. Friedemann Berg, Rechtsanwalt beim Bäckerverband, spricht von einer staatlich verursachten Wettbewerbsverzerrung, die man künftig endlich beenden könnte. Er berichtet, dass Unternehmen der Backindustrie den Lebensmitteleinzelhandel unter anderem deshalb mit so günstigen Backwaren beliefern können, weil ihre Produktionskosten aufgrund teilweiser Befreiung von der EEG-Umlage weitaus geringer ausfallen.
Bereits im Jahr 2013 hat der Verband eine Petition zur Abschaffung der EEG-Umlage beim Deutschen Bundestag eingereicht. Begleitet war diese von einer bundesweiten Unterschriftenaktion in vielen deutschen Bäckereien. „Dieser langjährige Einsatz war nun erfolgreich. Je früher, desto besser sollte diese wettbewerbsverzerrende Umlage endlich wegfallen“, sagt Berg. Dennoch drohen seiner Ansicht nach die Energiekosten in nächster Zeit noch weiter anzusteigen: „Nach einer aktuellen Studie im Auftrag der bayerischen Wirtschaft könnten die Stromgroßhandelspreise bis 2030 sogar um rund 50 Prozent steigen“, erklärt er.
Energiekosten steigen weiter
Deshalb werden energieintensive Unternehmen wie Handwerksbäckereien auch ohne EEG-Umlage künftig weiter mit Preissteigerungen rechnen müssen. Friedemann Berg richtet deshalb mahnende Worte an die Bundesregierung: „Wenn die Politik nicht gegensteuert, könnte die Energiewende in dieser Form die finanzielle Tragkraft der Unternehmen und Privathaushalte überfordern. Dann wäre der Wirtschaftsstandort Deutschland gefährdet.“ Um dies abzuwenden, sei es aus Sicht des Bäckerverbands notwendig, das System der staatlich geregelten Energiepreis-Bestandteile grundlegend und vor allem zügig zu reformieren. Laut Berg sollte deshalb auch die Stromsteuer für Handwerksbetriebe und ihre Beschäftigten auf den europaweit vorgeschriebenen Mindestsatz reduziert werden.
Doch nicht nur politisch muss jetzt gegengesteuert werden. Um die Belastungen durch die Energiepreise dauerhaft zu senken und davon auch unabhängiger zu werden, sind Bäckereien dann gut aufgestellt, wenn sie ihren Verbrauch auf einem möglichst niedrigen Niveau halten können. Investitionen in Energiespartechnik und vor allem das Ermitteln der Energiefresser im Betrieb lohnen sich jetzt umso mehr.
So senken Handwerksbäcker ihre Energiekosten
Doch wie und wo fängt man damit an? Und welcher Aufwand steckt dahinter, der im Betriebsalltag zusätzlich anfällt? „Der erste Schritt ist immer das genaue Ermitteln des Verbrauchs“, sagt Sven Börjesson von der Handwerkskammer zu Leipzig. Börjesson leitet das Umwelt- und Transferzentrum der Kammer und berät Handwerksbetriebe in der Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz (MIE). Ihn – genauso wie all seine Kollegen in gleicher Position in anderen Regionen – können Bäckereien kontaktieren, um Unterstützung bei diesem ersten Schritt und den dann folgenden zu bekommen. Mit dem Ziel, den Verbrauch an Strom, Gas, Öl und auch Energiekosten für den Fuhrpark zu senken, muss erst einmal der Ist-Zustand erfasst werden.
„Den Energieverbrauch im Blick zu haben, ist ein essentieller Punkt“, sagt der Berater und fügt sogleich hinzu, dass dies nicht immer einen großen Aufwand bedeutet und dass man dafür ein geeignetes digitales System braucht. Das bieten die Handwerkskammern in Deutschland den Betrieben mit dem sogenannten E-Tool im Rahmen der MIE kostenlos an. Dabei handelt es sich um eine cloudbasierte Lösung, in die man alle Daten einfügt und schnell eine Übersicht über Verbräuche, Kosten und damit auch mögliche Ansatzpunkte für Einsparungen bekommt.
„Setzt man dann Maßnahmen für mehr Energieeffizienz um, sieht man direkt auch deren Effekt im E-Tool„, sagt Börjesson. Er möchte den Betrieben die Scheu davor nehmen, derartige digitale Unterstützung zu nutzen und richtet in seinen Beratungen die Datenbasis für das E-Tool mit den Betrieben meist zusammen ein. „Wenn das einmal richtig eingerichtet ist, braucht man nur noch einmal im Jahr ran für 15 Minuten, um alles zu aktualisieren“, so der Kammermitarbeiter.
Energiekosten ermitteln vor der Investition in neue Technik
Im Rahmen der Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz bieten die Umweltzentren den Betrieben aber nicht nur eine digitale Begleitung an, sondern Unterstützung während des ganzen Prozesses, wenn Energieeinsparmaßnahmen umgesetzt werden. Die Initiative ist durch das Bundeswirtschafts– und das Bundesumweltministerium gefördert. Wenn sinnvoll und nötig, geht dies Hand in Hand mit einer professionellen Energieberatung. Zum Ermitteln der kritischen Punkte – also der Stellen, an denen zu viel Energie verloren geht – können die Betriebe sich dann auch konkrete Werkzeuge wie Thermographie-Kameras und andere Messinstrumente ausleihen.
Sowohl Sven Börjesson als auch sein Kollege Gunter Stegemann vom Umweltzentrum der Handwerkskammer Hannover, die beide verschiedene Bäckereien im Energieeinsparprozess begleitet haben, bestätigen, dass es für diese meist zwei Gründe gibt, damit anzufangen: Entweder müssen die alten Öfen ausgetauscht werden. Oder die Betriebsübergabe steht an und in diesem Zug soll der Betrieb auf einen besseren Stand gebracht werden. „Die Backöfen und auch deren Verbrauch sind ein Thema, das meistens im Fokus steht und das dann gleich weitere Ansatzpunkte mit sich bringt“, sagt Börjesson und erwähnt, dass ein Austausch eines Backofens natürlich eine gewaltige Investition nach sich zieht. Gleichzeitig erreicht man damit aber auch gewaltige Einsparungen. Sven Börjesson spricht hier von 20 bis 30 Prozent, die möglich sind. „Bei den Backöfen gab es in den letzten Jahren starke technische Entwicklungen und da Öfen lange halten, gibt es hierbei auch meist ein sehr großes Einsparpotenzial“, fügt er hinzu.
Energiekosten zu hoch? Handwerksbäcker setzen auf Wärmerückgewinnung
Das hat auch das Backhaus Hennig aus Zwenkau in Sachsen erlebt, als es seine Gas-Backöfen umgerüstet und neue Thermoöl-Öfen angeschafft hat. Zur Umrüstung, die einher ging mit einem Umzug in ein neues Betriebsgebäude, gehörte auch der Einbau einer Wärmerückgewinnungsanlage. Die überschüssige Wärme der Backöfen heizt damit die Gärräume, die dann wiederum keinen eigenen Energiebedarf mehr haben. Außerdem erwärmt sie in einem Pufferspeicher Wasser für die Fußbodenheizung.
Da das Backhaus insgesamt 3.000 Quadratmeter umfasst, konnte die Bäckerei aber auch mit der Installation von LED-Leuchtmitteln eine Menge Strom sparen im Vergleich zu den Neonröhren in der alten Bäckerei. Zum Bäckereihauptgebäude gehören auch eine Schauküche, Räume für Backkurse und ein großes Café. „Außerdem haben wir sämtliche alte Heizungspumpen ersetzt und ein niedertemperaturbetriebenes Glykolheizregister für Gärverzögerungszellen eingebaut“, berichtet Martin Hennig, der Juniorchef der Bäckerei. Wichtig waren für seinen Betrieb aber auch organisatorische Maßnahmen, zu denen ihm bei der Umstellung des Betriebs geraten wurde. Dazu gehört der Einsatz eines Energiemanagementsystems zur intelligenten Steuerung der Heizkessel. „Umso mehr Energie benötigt wird, umso mehr Kessel schaltet das System dazu“, sagt Martin Hennig. Das heißt zugleich, dass sich die Heizkessel bei niedrigem Bedarf auch nicht voll aufheizen.
Der Umbau der Backstube lief für ihn vor allem deshalb relativ unproblematisch ab, da sich in seinem Fall fast alles in einem neuen Gebäude abspielte und nicht im laufenden Betrieb. „Lediglich der Umschluss war von Seiten des Herstellers schlecht geplant und lief sehr chaotisch. Wir konnten eine Nacht lang nicht backen“, berichtet der Bäckermeister. Nachdem alle Maßnahmen umgesetzt waren, konnte er seine vier davor genutzten Etagenöfen noch verkaufen. So konnte er ein wenig der Investitionssummen wieder hereinholen.
Neue Backstube mit energieeffizienten Backöfen
In Bäckereien betragen die Energiekosten nach Angaben des Zentralverbands im Durchschnitt sechs bis zehn Prozent des Umsatzes. Beim Backhaus Hennig sind es heute nur noch rund 4,2 Prozent. Gunter Stegemann nennt weitere Zahlen: So sind die Backöfen in Bäckereien in der Regel die mit Abstand stärksten Verbraucher mit etwa 40 Prozent des Gesamtenergiebedarfs. 25 Prozent machen die Kühlung der Teige und Backwaren aus und rund acht Prozent die Beleuchtung. Gunter Stegemann begleitet derzeit die Bio-Handwerksbäckerei Backwerk dabei, den Energieverbrauch zu senken. Auch diese Bäckerei setzt Maßnahmen dazu bei einem Umzug in eine neue Backstube um.
So setzt sie hier energieeffiziente Thermoölbacköfen ein, die auch eine Wärmerückgewinnung angeschlossen haben. Die Abwärme nutzt die Bäckerei für die Warmwasserbereitung und als Heizungsunterstützung. Bei der Kühlung setzt sie auf CO2 als Kältemittel. Denn das natürliche Kältemittel ist umweltfreundlicher und zugleich kostengünstiger als die fluorierten Kältemittel. Schaut man Kosten und Nutzen an, die sich für das Backwerk durch die Investitionen verändern, zeigt der Energiebericht – ausgehend von einer deutlichen Produktionssteigerung gegenüber der jetzigen Produktion – ein jährliches CO2-Einsparpotential von insgesamt 125t CO2. Der Energieverbrauch von etwa 285 MWh im Jahr kann die Bäckerei auf ca. 123 MWh senken und damit die Kosten von über 24.000 Euro auf rund 8.600 Euro reduzieren. Die Investitionen in den neuen energieeffizienten Standort amortisieren sich damit schneller..
Handwerksbäcker mit Öko-Schwerpunkt: So stark sinken die Energiekosten
Doch nicht nur die Kosten haben die Hannoveraner Handwerksbäcker dabei im Blick. Mit ihrer Bäckerei setzen sie sich schon seit vielen Jahren für eine alternative Betriebsweise mit ökologischem Schwerpunkt ein. „Wir wollen ökologischen Wandel gestalten und sehen es als Herausforderung, regionale Biobackwaren so umweltfreundlich wie möglich zu produzieren und zu transportieren“, sagt dazu Ruth Schwarwies. Als Betriebswirtin managt sie die Bäckerei. Ihr Mann Christian Lecht steht mit vier Gesellen in der Backstube und kümmert sich derzeit auch um die Organisation des Umzugs der Bäckerei. Dazu berichte er: „Die Möglichkeiten für weitere Energieeinsparungen sind an unserem jetzigen Standort begrenzt. Daher haben wir uns entschieden, in einen neuen Produktionsstandort zu investieren. Den Ausbau haben wir hier von Anfang an nach energierelevanten Aspekten gemeinsam mit einem Energieberater geplant.“
Besonders im Mittelpunkt eines etwas anderen Energiekonzepts steht für die Bio-Bäckerei aber der fast emissionsfreie Fuhrpark. Aus drei E-Lastenrädern und einem CNG-Fahrzeug setzt er sich zusammen. Damit ist die komplette Mobilität des Betriebs abgedeckt.
E-Lastenräder ersetzen Diesel-Pkw
Um Bio-Läden in der Region zu beliefern fahren die Mitarbeiter der Bäckerei jeden Tag im Schnitt 17 Kilometer Wegstrecke. Für größere Entfernungen nutzt die Bäckerei ihren gasbetriebenen Caddy. „Das Bio-CNG wird aus Stroh gewonnen, die Bäckerei bezieht es von der Firma Orange Gas“, berichtet Gunter Stegemann. Dabei fallen nach Angaben des Anbieters bei der Verbrennung lediglich rund zehn Prozent der CO2-Emissionen gegenüber Benzin oder Diesel an. Für die E-Lastenräder nutzt das Backwerk Ökostrom. Am neuen Standort plant die Bäckerei die Anschaffung weiterer Lastenräder mit Transportboxen. Diese können für die Liefertouren schnell und unkompliziert neu beladen werden. Schon seit dem Jahr 2019 ersetzt ein Lastenrad in der Bäckerei einen normalen Kastenwagen.
Mit dem heutigen Lieferkonzept spart das Backwerk nach Aussagen von Ruth Schwarwies mindestens 250 Liter Diesel pro Jahr ein. Genauso wichtig ist es ihr aber zu betonen, dass dies auch eine Einsparung von zwei Tonnen CO2 ausmacht. Mit den Lastenrädern im arbeitstäglichen Einsatz ist die Bäckerei in der Branche noch eine Seltenheit. „Auch wenn Lastenräder im privaten Bereich mittlerweile viel genutzt sind, gibt es nur wenige gewerbliche Logistik-Konzepte, die auf die Nutzung von Lastenrädern setzen“, sagt Scharwies. Ihre Räder seien auf jeden Fall auch ein Blickfang auf der Straße und damit eine gute Werbung. „Wir wollen zeigen, wie sich eine auf Fahrräder gestützte Logistik im Stadtverkehr umsetzen lässt – und welche Vorteile für Alle daraus resultieren“, sagt sie.
Energiekosten senken: Individuelle Einsparkonzepte notwendig
So wie es sich für das Backwerk Hannover besonders gelohnt hat, den Fuhrpark klimafreundlicher und auch energiekostenbewusster aufzustellen, kann für andere Betriebe der Schwerpunkt ganz woanders liegen. Gunter Stegemann sieht eine große Notwendigkeit in der individuellen Beratung – jeder Betrieb und jeder Standort müsse separat für sich in Augenschein genommen werden, je nach den entsprechenden und individuellen Gegebenheiten. Außerdem sei es wichtig, dass die Maßnahmen, die man dann ergreifen will, ein schlüssiges Gesamtkonzept ergeben. „Es ist nicht immer nötig, alle Maschinen einfach auszutauschen. Manches Mal genügt zum Beispiel auch eine neue Dichtung für den Ofen, wenn dieser noch gut und effizient arbeitet“, sagt der Energieberater und verweist auf die Messinstrumente, die Betriebe in Zusammenarbeit mit den Kammern nutzen können. So kann man zum Beispiel Wärmeverluste anhand von Thermographien gut sichtbar machen.
Für ein individuelles Einsparkonzept sind auch die jeweiligen Produktionsabläufe wichtig. Viele Bäckereien wollen mittlerweile auch unabhängiger werden von den Energiepreisschwankungen. Sie investieren deshalb gerne in Techniken zur Eigenstromversorgung wie PV-Anlagen. Gunter Stegemann sagt dazu aber ganz klar: „Dabei spielt eine gute Anlagenplanung eine wichtige Rolle, um dem spezifischem Energiebedarf des Betriebs gerecht zu werden.“ Der Strombedarf ist in Bäckereien in den frühen Morgenstunden am höchsten. Dann scheint aber noch keine Sonne und es gibt keinen Solarstrom.
Wer jedoch Lieferwagen mit Elektromotoren einsetzt, kann den eigenen PV-Strom für den Fuhrpark nutzen. „Wenn die Sonne scheint, sind die meisten Liefertouren bereits erledigt. Dann stehen die Autos sowieso herum und man kann sie problemlos laden“, so der Kammermitarbeiter. E-Fahrzeuge passen aus seiner Sicht aber nicht nur deshalb gut zu Bäckereien. Auch dass sie problemlos in jede Umweltzone fahren dürfen und die Tatsache, dass es derzeit gute Fördermöglichkeiten dafür gibt, seien Gründe.
Hinweis: Es handelt sich um einen Gastbeitrag. Der Artikel erschien am 17.02.2022 in: Deutsche Handwerks Zeitung. Der Beitrag spiegelt nicht zwangsläufig die Ansicht der Niedersachsen Allianz für Nachhaltigkeit wieder.